Strafrechtliche Gleichstellung der psychischen Gewalt mit der körperlichen Gewalt

Strafrechtliche Gleichstellung der psychischen Gewalt mit der körperlichen Gewalt

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Startdatum
Petition an
Justizministerium und

Warum ist diese Petition wichtig?

Gestartet von Argeo Bämayr

Motivation

Während meiner Tätigkeit als Nervenarzt und Psychotherapeut lag mein Schwerpunkt bei der Behandlung von Opfern psychischer Gewalt, ohne bei weiterhin bestehenden psychischen Gewalteinwirkungen z.B. bei Mobbing und häuslicher psychischer Gewalt, diese Ursachen beeinflussen oder gar beseitigen zu können.
Die Verhinderung, Eindämmung oder Beseitigung der Krankheitsursachen durch psychische Gewalt kann nur die Justiz bewältigen. Die psychische Gewalt ist jedoch im Gegensatz zur körperlichen Gewalt keine Straftat. Bisher sind jedoch alle Versuche von Betroffenen gescheitert, den Gesetzgeber von der Notwendigkeit der Bestrafung psychischer Gewalt zu überzeugen.

Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland dauert nun dieser viel Leid verursachende Missstand an, weshalb Betroffene nun auch von therapeutischer Seite her unterstützt werden müssen, den Gesetzgeber mit wissenschaftlichen Erkenntnissen über Gewaltmechanismen, sowie medizinische und wirtschaftliche Auswirkungen psychischer Gewalt zu überzeugen.

Die Begründung der nachfolgenden Petition über die strafrechtliche Gleichstellung der psychischen Gewalt mit der körperlichen Gewalt ist deshalb so ausführlich und tiefgreifend begründet, weil diese Petition nicht nur eine strafrechtliche, sondern auch eine medizinische, humanitäre, soziale und wirtschaftliche Relevanz beinhaltet und selbst die im Grundgesetz verankerte Vernachlässigung der Psyche im Gegensatz zur Dominanz des Körpers im Visier hat.

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Petition: Strafrechtliche Gleichstellung psychischer Gewalt mit körperlicher Gewalt (Mobbing, häusliche Gewalt usw.)

Die Petenten stellen den Antrag, die „psychische Gewalt“ der „körperlichen Gewalt“ gleichzustellen und als Straftat im Strafgesetzbuch (StGB) aufzunehmen und strafrechtlich wie die „körperliche Gewalt“ zu ahnden.

Für die Unterscheidung dieser beiden Gewaltarten wird auf folgende bereits vorliegende Definitionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwiesen:

Definition der physischen und psychischen Gewalt

Die Dublin-Studie der europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Dublin-Stiftung) verwendet folgende angepasste WHO Definitionen für die physische und psychische Gewalt [1]:

  • Physische Gewalt (körperliche Gewalt): Die Anwendung körperlicher Gewalt gegen eine andere Person oder Gruppe, aus der ein körperlicher, sexueller oder psychischer Schaden resultiert [1].
  • Psychische Gewalt (seelische Gewalt): Absichtliche Anwendung von Macht gegen eine andere Person oder Gruppe, aus der eine Schädigung in der körperlichen, geistigen, seelischen, moralischen oder sozialen Entwicklung resultieren kann [1].

Tatwaffen der psychischen Gewalt

Die Tatwaffen psychischer Gewalt werden z.B. in verbalen, schriftlichen, mimischen und verhaltensorientierten Aktionen systematisch und vorsätzlich von Tätern eingesetzt, um ausgewählte Opfer zu unterwerfen und psychosozial zu destabilisieren. Die Vielgestaltigkeit psychischer Attacken listet z.B. Esser im Katalog von „100+ Mobbinghandlungen“ auf [2], die er folgenden 10 Kategorien zuordnet und welche grundsätzlich auch auf alle anderen Formen psychischer Gewalt zutreffen:

  • Angriffe gegen die Arbeitsleistung und das Leistungsvermögen (29 Punkte)
  • Angriffe gegen den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses (12 Punkte)
  • Destruktive Kritik (7 Punkte)
  • Angriffe gegen die soziale Integration am Arbeitsplatz (13 Punkte)
  • Angriffe gegen das soziale Ansehen im Beruf (13 Punkte)
  • Angriffe gegen das Selbstwertgefühl (11 Punkte)
  • Angst, Schreck und Ekel erzeugen (4 Punkte)
  • Angriffe gegen die Privatsphäre (11 Punkte)
  • Angriffe gegen die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit (10 Punkte)
  • Versagen von Hilfe (5 Punkte)

Begründung des Antrags

Beide von der WHO definierten Formen der Gewalt führen zu einer Verletzung der Menschenwürde (Grundgesetz Art 1) und der Persönlichkeitsrechte in Form des Rechts auf „körperliche Unversehrtheit“ (Grundgesetz Art 2 Abs. 2). Das Recht auf eine „psychische Unversehrtheit“ findet im Grundgesetz keine explizite Erwähnung.

Verstöße gegen diese Grundrechte ahndet die Bundesrepublik Deutschland vorrangig nur im Bereich der körperlichen Gewalt. Die psychische Gewalt darf indes bisher weitgehend ohne Strafandrohung ausgeübt werden. Als Beispiele hierfür dienen: Mobbing, häusliche psychische Gewalt, Stalking, Cyber-Mobbing, rassistische Herabwürdigung, Hassmails usw. Bei diesen Formen der psychischen Gewalt handelt es sich um überwiegend wiederholte und längerfristige, bzw. andauernde psychische Gewaltaktionen (Psychoterror), die von den bisherigen Straftatbeständen des Strafrechts (z.B. Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung) nicht oder nicht ausreichend erfasst werden. Teilweise werden sogar verbale und schriftliche psychische Gewaltakte von Gerichten als freie Meinungsäußerung eingestuft, was neben dem persönlichen Leid auch zu gravierenden Auswirkungen in Form einer zunehmenden Verrohung und Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft beiträgt.

Psychische Gewalt wird meist langfristig ausgeübt und zielt auf eine kontinuierliche lang anhaltende Schädigung ab

Strafrechtlich erfasste Opfer körperlicher Gewalt erleiden meist nur einmalig oder kurzfristig körperliche Gewalt. Sie haben daher bessere Heilungschancen sowohl in körperlicher als auch psychischer Hinsicht. Im Gegensatz hierzu erleiden Opfer psychischer Gewalt oft über lange Zeit eine Abfolge psychischer Gewaltakte mit einer entsprechenden zunehmenden Verschlimmerung ihrer gesundheitlichen Störung. Dies ist auch bei häuslicher Gewalt der Fall, unabhängig davon, ob „nur“ psychische Gewalt ausgeübt wird oder ob diese mit körperlichen Gewaltattacken einhergeht. Körperliche Gewalt beinhaltet immer auch psychische Gewaltanteile. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellt hierzu in einer repräsentativen Untersuchung zu Gewalt an Frauen in Deutschland fest: Betroffene Frauen berichten, dass sie oft weniger unter der körperlichen als vielmehr der psychischen Gewalt leiden [3].

Eine lang anhaltende Schädigung der Gesundheit kann auch die Folge eines einzigen psychischen Gewaltakts sein, wenn z.B. eine fristlose Kündigung des Arbeitsplatzes durch eine von der Firmenleitung angeordnete Aufspielung von massenhaften Sex-Cliques auf den Arbeitscomputer eines Mitarbeiters durch die IT-Abteilung den Grund für die fristlose Kündigung liefert. Dies kann sogar einen Suizid zur Folge haben. Täter können sowohl Einzeltäter, mehrere gleichgesinnte Einzeltäter (Cyber-Mobbing) oder Gruppen sein.

Erreicht ein psychischer Gewalt einsetzender Täter sogar sein Ziel, sein ausgewählte Opfer vom gesellschaftlichen Leben und Mitwirken auszugrenzen und abzuhalten, dann droht dem Opfer sogar ein gesundheitlicher Dauerschaden.

Psychische Gewalt entzieht sich einer sofort wirksamen Abwehr durch Staatsorgane

Psychische Gewalt kann jeden treffen und Täter brauchen nach aller Erfahrung keine sofort wirksame Abwehr durch Staatsorgane fürchten. Es existiert auch kein effektiver Rechtsschutz. Dadurch sind Opfer von psychischer Gewalt weitgehend rechtlos. Ein auf die Grundrechte gestützter Rechtsweg ist langwierig und kann keine sofortige Unterbindung der psychischen Gewalt bewirken. Da psychische Gewalt staatlicherseits weitestgehend ohne Sanktionen ausgeübt werden darf, existiert auch keine abschreckende Wirkung.

Notwehrreaktionen von Opfern psychischer Gewalt sind problematisch

Anders als bei der körperlichen Abwehr eines körperlichen Angriffs haben Opfer eines psychischen Gewaltakts meist keine sofort wirksame Möglichkeit der Notwehr. Die entstehende Hilflosigkeit können sich psychische Gewalt einsetzende Täter zu Nutze machen, wenn sie ihr Opfer so intensiv provozieren, bis sich dieses körperlich zur Wehr setzt. In diesem Fall liefert das Opfer dem Täter einen Anlass, seine psychischen Gewalttaten auszuweiten. Mittels einer Anzeige wegen Körperverletzung kann der psychische Gewalt einsetzende Täter die im Unklaren gelassene Strafverfolgungsbehörde quasi zu seinem „Verbündeten“ machen. Unwissentlich verstärkt diese nun gemeinsam mit dem Täter das Leid des Opfers. Schließlich lassen sich sichtbare oder durch Zeugen bestätigte Körperverletzungen, verursacht durch körperliche Reaktionen des psychisch verletzten Opfers, noch allemal leichter nachweisen, als der ursächliche Akt psychischer Gewalt, der die Notwehr ausgelöst hatte.

Die Dominanz des Körpers und die Vernachlässigung der Psyche im Grundgesetz

Die Dominanz des Körpers bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Psyche sowohl im Grundgesetz (GG Art 2 Abs 2) als auch im Strafrecht (StGB §§ 223 - 231) ist wissenschaftlich und rechtlich unhaltbar.

Der Begriff der „körperlichen Unversehrtheit“ bezieht sich im Grundgesetz auf eine materialistische bzw. organische Beschaffenheit des Menschen:

  • „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ (GG Art 2 Abs. 2 Satz 1).

Die Dominanz des Körpers mit kompletter Vernachlässigung der Psyche wird durch die Vorschrift der Einschränkung dieses Grundrechts erhärtet:

  • „In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden“ (GG Art 2 Abs. 2 Satz 3).

Während ein körperlicher Schaden unter gesetzlich fixierten Bedingungen zugefügt werden darf (z.B. Impfpflicht, Blutabnahme oder Tränengas bei Polizeieinsätzen), ist ein gesetzlich zulässiger Eingriff in die psychische Unversehrtheit aufgrund eines Verstoßes gegen die Menschenwürde und ihrer Nähe zur Folter nicht vorstellbar.

Die Dominanz des Körpers und die Vernachlässigung der Psyche im Strafgesetzbuch (StGB §§ 223-231)

Noch deutlicher wird die Dominanz des Körpers zum Nachteil der Psyche im Strafgesetzbuch (StGB). Eine Schädigung der „Gesundheit“ kann strafrechtlich nur geahndet werden anhand der Paragrafen

  • § 223 (Körperverletzung) und
  • § 225 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 (Misshandlung von Schutzbefohlenen).

Alle übrigen Paragrafen des 17. Abschnitts des StGB „Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit“ beziehen sich ausschließlich auf den Körper. Den Begriff „Psyche“ bzw. „Seele“ kennt das gesamte Strafgesetzbuch nicht.

Auch bei der abschließenden Aufzählung von Tatwaffen bei der „Gefährlichen Körperverletzung“ (StGB § 224) werden ausschließlich mechanisch wirkende Waffen und Werkzeuge, sowie Gifte aufgeführt. Psychische Gewaltmittel werden in diesem Paragrafen als Verursachung einer „gefährlichen Körperverletzung“ nicht genannt, obwohl auch psychische Gewalt erfahrungsgemäß geeignet ist, „gefährliche Verletzungen“ bis hin zum Suizid zu verursachen.

Die Schwere der Folgen einer „Körperverletzung“ listet bei der „Schweren Körperverletzung“ (StGB § 226 Abs. 1) vorrangig körperliche Schäden auf, wie z.B. den Verlust von Sinnesorganen, die reduzierte Gebrauchsfähigkeit wichtiger Glieder des Körpers oder den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit. Auch wenn der Verfall in eine „geistige Krankheit“ oder eine Behinderung nach dem StGB § 226 Abs. 1 Nr. 3 eine „schwere Körperverletzung“ darstellen kann, so lässt sich eine „psychische Erkrankung“, wie sie oft nach psychischen Gewaltattacken entsteht, keinesfalls als „geistige Krankheit“ einstufen; Sowohl medizinisch als auch juristisch stellt eine „psychische Erkrankung“ (= seelische Erkrankung) keine „geistige Erkrankung“ dar.

Eine juristische Ungleichbehandlung von körperlicher und psychischer Gewalt ist medizinisch nicht zu rechtfertigen

Statt einer Ungleichbehandlung ist strafrechtlich eine Gleichbehandlung von psychischen Gewaltattacken (Psychoterror) mit körperlichen Gewaltattacken (mechanisch wirkende Waffen oder Gifte) geboten, da beide Gewaltformen die Gesundheit schädigen können. Die durch psychische Gewalt hervorgerufenen psychischen und psychosomatischen Erkrankungen können aufgrund ihres oft erheblichen Schweregrads das Gesundheitssystem stärker und länger anhaltend belasten als körperliche Schädigungen nach körperlichen Gewaltattacken.

In Anbetracht neuester hirnbiologischer Erkenntnisse ist auch jegliche Rechtfertigung entfallen, juristisch die Folgen psychischer Gewalt anders zu bewerten als die Folgen körperlicher Gewalt. In beiden Fällen handelt es sich um Verletzungen, die hirnbiologisch nicht unterscheidbar als „Schmerz“ empfunden werden [4]. Wie diese neuesten Ergebnisse aus der Hirnforschung beweisen, führt der körperlich zugefügte Schmerz zu den selben hirnbiologischen Abläufen wie ein psychisch zugefügter Schmerz [4]. Sowohl der durch körperliche als auch durch psychische Gewalt zugefügte Schmerz lässt über die Aktivierung des körpereigenen Aggressionsapparates eine Bereitschaft zur Gewaltanwendung entstehen, die die Spirale der Gewalt beginnen und/oder fortdauern lässt [4]. Diese Folgen sind umso gravierender, je länger die Gewalteinwirkung andauert und nicht gestoppt wird. Diese hirnbiologischen Erkenntnisse werden durch die Studie von Bașoġlu [5] bestätigt, wonach „psychische Gewalt so verheerend wie körperliche Folter“ wirkt [6].

Sowohl die Folgen „körperlicher“ als auch „psychischer Gewalt“ stellen eine Verletzung der grundgesetzlich garantierten „Unversehrtheit“ des Menschen in seiner untrennbaren körperlich/seelischen Einheit dar. Während bei der körperlichen Gewalt zunächst der Körper und meist zugleich die Psyche geschädigt wird, wird bei Anwendung psychischer Gewalt primär die Psyche verletzt mit der häufigen Folge organischer bzw. psychosomatischer Störungen.

Die Erkrankung von Opfern psychischer Gewalt

Die individuelle Erkrankung von Opfern psychischer Gewalt nimmt je nach Häufigkeit, Dauer und Intensität der psychischen Gewaltattacken stetig zu, weshalb das so zu diagnostizierende „Psychische Gewaltsyndrom“ im Rahmen einer Längsschnittbetrachtung im Sinne einer kumulativen traumatische Belastungsstörung in vier Stadien eingeteilt werden kann [7]:

Psychisches Gewaltsyndrom

Stadium 1 akute Belastungsreaktion (ICD 10 F 43.0)

Stadium 2 kumulative“ traumatische Belastungsstörung (KTBS) (ICD 10 F 43.9)

  • biphasisches Auftreten von Depression und Angst im Wechsel mit Aggressionen und eventuell damit einhergehenden Suizidgedanken
  • einbrechendes Selbstwertgefühl mit Selbstzweifeln und Schuldgefühlen
  • zunehmendes Vermeidungsverhalten
  • Schlafstörungen mit Grübelzwängen
  • Substanzmissbrauch (Alkohol, Drogen) aufgrund von Angst und Schlafstörungen
  • eingeengtes Denken an die Gewaltakte, woraus sich die Plausibilität für die  Gewaltkonstellation ableiten lässt
  • hellwache geistige Leistungsfähigkeit (Kognition) betreffend das Gewaltgeschehen
  • eingeschränkte geistige Leistungsfähigkeit im Alltag aufgrund des eingeengten Denkens an die Gewalterfahrungen
  • psychosomatische Funktionsstörungen, vor allem des Bewegungsapparats und des Magen- und Darmbereichs
  • Entwicklung einer Phobie gegen Fremdbestimmung

Stadium 3 Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (ICD 10 F 43.1)

Stadium 4 Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD 10 F 62.0)

  • Ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 60.6) beim stillen Dulden der psychischen Gewalt
  • Paranoide Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 60.0) nach besonders „subtiler“ psychischer Gewalt
  • Obsessive Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 60.0).

Das „psychische Gewaltsyndrom“ lässt sich in gewaltspezifische Diagnosen („Mobbingsyndrom“, „häusliches psychisches Gewaltsyndrom“, „Stalkingsyndrom“ usw.) unterteilen, die sich hinsichtlich der vier Stadien nicht unterscheiden. In allen Fällen kann nach anfänglich ein oder mehreren „akuten Belastungsstörungen“ (Stadium 1) bei fortgesetzten Gewaltattacken die „kumulative traumatische Belastungsstörung“ (Stadium 2) entstehen, welche im medizinischen Alltag dominiert, während das Stadium 3 und 4 nur bei sehr schweren Verläufen auftritt.

Bei einer Fortdauer von psychischen Gewaltaktionen (Psychoterror) misslingen zwangsläufig alle medizinischen Behandlungen. Es existiert kein psychiatrisches oder psychotherapeutisches Verfahren zur Bekämpfung der Krankheitsursache, wie dies die Medizin in anderen Bereichen, beispielsweise bei der Behandlung von durch Bakterien verursachten Infekten, zur Verfügung steht. Auch der Einsatz von Psychopharmaka (Mittel gegen Ängste, Depressionen, Schlafstörungen und andere Beruhigungsmittel) ist aufgrund der Gefahr von Gewöhnung und Suchtentstehung problematisch [3]. Diese Mittel sind eher dazu geeignet, die psychische Gewalt trotz zunehmenden Leids zu „ertragen“ und somit in der zweifachen Abhängigkeit (von Tätern und von Psychopharmaka) hilflos zu verharren [3].

Psychische Gewalt als Ursache des Anstiegs von Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung aufgrund psychischer Erkrankungen

Der Zusammenhang zwischen psychischer Gewalt und psychischer Erkrankung mit der Folge eines Anstiegs von Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung ist anhand offizieller Statistiken plausibel darstellbar und kann in der Publikation des Europäischen Universitätsverlags aus dem Jahr 2018 mit dem Titel „Psychische Gewalt im Berufs- und Privatleben, Ursache des Anstiegs von Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung aufgrund psychischer Erkrankungen?“ nachvollzogen werden [8].

In diesem Werk wird erneut eine strafrechtliche Sanktionierung psychischer Gewalt gefordert, die bereits im Jahr 2001 im Deutschen Ärzteblatt mit dem Titel „Mobbing, Hilflose Helfer in Diagnostik und Therapie“ [9] und im Jahr 2012 im Fachbuch „Das Mobbingsyndrom ...“ [7] erhoben wurde.

Die Umsetzung dieser Forderung ist nach über 20 jähriger Abstinenz des Gesetzgebers dringend geboten, da sowohl das Leid von Opfern als auch der Anstieg der Ausgaben im Sozialsystem für die Versorgung psychisch Kranker unverändert ansteigt.

Dieser Anstieg beweist, dass alle derzeitigen politischen, administrativen und rechtlichen Möglichkeiten bei der Bekämpfung psychischer Gewalt im Berufsleben (z.B. Mobbing) und im Privatleben (z.B. häusliche Gewalt, Cybermobbing) nicht nur wirkungslos sind, sondern sogar signalisieren, dass psychische Gewalt nahezu uneingeschränkt praktiziert werden darf. Der Vollzug einer strafrechtlichen Sanktionierung psychischer Gewalt ist also überfällig, da sich zwischenzeitlich auch Politiker und Repräsentanten des Volkes (Bürgermeister, Abgeordnete usw.) wegen ungebremster psychischer Gewaltattacken unter anderem aus dem Internet, psychosozial destabilisiert aus dem politischen Leben zurückziehen. Erst eine strafrechtliche Sanktionierung kann alle und auch zukünftige Anwender psychischer Gewalt abschrecken.

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Literatur

  1. Di Martino V, Hoel H, Cooper CL: Preventing violence and harassment in the workplace, European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions, www.eurofound.europa.eu/pubdocs/2002/109/en/1/ef02109en.pdf
  2. Esser A, Wolmerath M: Mobbing. Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung. 4. vollständig überarbeitete Auflage, Frankfurt am Main 2001; Bund-Verlag
  3. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg., 2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Zusammenfassung zentraler Studienergebnisse, Berlin. http://www.europarl.europa.eu/hearings/20050621/femm/schroettle2_de.pdf
  4. Bauer J: Schmerzgrenze; Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt, Karl Blessing Verlag, 2011
  5. Bașoġlu M, Livanou M, Crnobavić C: Torture vs Other Cruel, Inhuman, and Degraduing Treatment, Arch Gen Psychiatry, 2007,64:277-285, http://archpsyc.ama-assn.org/cgi/reprint/64/3/277
  6. Georgescu V: Psychische Gewalt so verheerend wie körperliche Folter, Spiegel Online, 6.3.2007, http://www.spiegel.de/wissenschaft/ mensch/0,1518, druck-470220,00.html)
  7. Bämayr A: Das Mobbingsyndrom, Diagnostik, Therapie und Begutachtung im Kontext zur in Deutschland ubiquitär praktizierten psychischen Gewalt, Europäischer Universitätsverlag 2012
  8. Bämayr A: Psychische Gewalt im Berufs- und Privatleben, Ursache des Anstiegs von Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung aufgrund psychischer Erkrankungen, Europäischer Universitätsverlag 2018
  9. Bämayr A: Mobbing, Hilflose Helfer in Diagnostik und Therapie, Deutsches Ärzteblatt 98 (2001), Heft 27: A 1811-1813, https://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=27942

Dr. Argeo Bämayr

Bild: Dr. Ilse Wagner-Bämayr

 

 

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