Absage der BDS-Veranstaltung am 18.05.2016 im Kulturzentrum Oldenburg
Absage der BDS-Veranstaltung am 18.05.2016 im Kulturzentrum Oldenburg
Offener Brief an das Kulturzentrum PFL sowie die Stadt Oldenburg
Sehr geehrte Frau Cordes, sehr geehrter Herr Krogmann, sehr geehrte Damen und Herren vom PFL,
Dies ist ein öffentlicher Brief, der sich vor allem an das PFL in Oldenburg sowie die Stadt Oldenburg selber, aber auch an alle weiteren Interessierten richtet. Leider mussten wir mit Empörung und Unverständnis feststellen, dass das PFL einem höchstwahrscheinlich antisemitischen Vortrag¹ Raum geben will. Wir fordern Sie auf, der zu erwartenden antisemitischen Stimmungsmache keinen Raum zu bieten. Sicherlich hat eine Veranstaltung zur BDS-Kampagne ihre Berechtigung, wenn davon auszugehen ist, dass eine differenzierte Darstellung der Tatsachen erfolgt. Unter den gegebenen Vorzeichen ist, wie wir im Folgenden zeigen werden, davon nicht auszugehen.
Die im Vortrag vorzustellende BDS-Bewegung (Boycott, Divestments, Sanctions; dt. Boykott, Kapitalentzug und Sanktionen) hat sich zum Ziel gesetzt, Sanktionen gegen den Staat Israel populär zu machen. Dazu gehört unter anderem der generelle Boykott von israelischen Waren aller Art sowie von Dienstleistungen, KünstlerInnen, PolitikerInnen, SportlerInnen, AkademikerInnen² . Durch die Boykottierung soll das Ende von vermeintlicher „Apartheid, Kolonialismus und Okkupation“³ herbeigeführt werden. So ist letztendlich – und leider mehr als offensichtlich – aus dem ehemaligen „Kauft nicht bei Juden!“ ein „Kauft nicht beim Judenstaat!“ geworden⁴ .
Das BDS-Movement
„Der Kampf gegen die BDS-Bewegung ist ein Kampf für die Wahrheit selbst – und es ist Zeit, sich ihm anzuschliessen.“ (David Collier)⁵
Die BDS-Bewegung wurde nach eigenen Angaben 2005 von über 170 palästinensischen Nicht-Regierungsorganisationen gegründet. Seit 2007 wird sie vom „Palestinian BDS National Committee“ koordiniert. Auf der Webpräsenz der BDS kann man einsehen, dass die „National and Islamic Forces in Palestine“ an erster Stelle unter den gelisteten Komitee-Mitgliedern stehen. Zu diesen zählt unter anderem auch das “Islamic Resistance Movement”, also die radikalislamistische Terrororganisation "Hamas", der “Islamische Dschihad in Palästina” und die “Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP)”⁶. Leider hat BDS seitdem weltweit an Anhängerschaft und bedauernswerter Bedeutung gewonnen. Dahinter stehen Geschichten, wie die des Wassersprudlerherstellers SodaStream. Dieser musste durch den Boykott seine Fabrik im Industriepark Mishor Adumim schließen. Der große Erfolg der Boykottbewegung lag in diesem Fall darin, dass Hunderte palästinensische Arbeiter, die jahrelang bei SodaStream gute Gehälter und Sozialleistungen bekommen haben, jetzt arbeitslos sind. Die wenigsten von ihnen werden in ein neues Arbeitsverhältnis treten können – und wenn, dann zu sehr viel schlechteren Konditionen⁷ . Daran kann man erkennen, dass es der BDS-Bewegung nicht um das Wohl der PalästinenserInnen, sondern um die Delegitimierung Israels geht.
Auf internationaler politischer Ebene schätzen einige AkteurInnen die BDS-Bewegung – zumindest teilweise oder in Ansätzen – als antisemitische Hetzkampagne ein. So sind bereits in Frankreich, Kanada, den USA sowie Großbritannien deutliche Maßnahmen und Gesetze gegen BDS erlassen worden. Und auch Mitglieder der deutschen Regierungsfraktion stehen der BDS teilweise ablehnend gegenüber. So erläutert beispielsweise Gitta Connemann, Bundestagsabgeordnete der CDU: „Ohne Frage: BDS muss gestoppt werden. Es hat sich inzwischen zu einem Massenphänomen entwickelt, das sich immer weiter ausbreitet“⁸. Es gehe bei dem Boykott ausschließlich um Juden, da israelische Firmen in muslimischem Besitz explizit ausgeklammert werden würden. „Das ist Antisemitismus pur“, so die stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe⁹.
Charlotte Knobloch, Shoa-Überlebende und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, wirft der BDS-Kampagne vor, sie tarne „das sozial nicht adäquate ‚Kauft nicht bei Juden!‘ als modernisierte Form des Nazijargons in der Forderung ,Kauft nicht vom jüdischen Staat!‘“¹° Anlass war ein Vortrag mit Christopher Ben Kushka im November 2015 in München über BDS.
Wie wir zeigen konnten, ist eine Veranstaltung, welche den Lügen und realitätsverneinenden Ansichten der BDS-Bewegung eine Plattform bietet, ein unerträglicher moralischer Bankrott. Das Labeln von israelischen Waren¹¹, begleitet vom Aufruf, nichts von Israelis zu kaufen, ist eine offen antisemitische Handlung, die in einer grausamen deutschen Tradition steht und zuletzt auf eine Dämonisierung und Delegitimierung Israels hinausläuft¹² - in den Worten des Publizisten Alex Feuerherdt:
„Um es klar zu sagen: Die Anwendung doppelter Standards gegenüber Israel sowie die Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staates sind Charakteristika des modernen Antisemitismus, der sich nach Auschwitz weniger gegen »die Juden« richtet als vielmehr gegen ihren Staat als Kollektivsubjekt. In dessen Aussonderung – wie sie auch in der EU-Kennzeichnungsverordnung vorgenommen wird, die speziell und ausschließlich gegen ihn ersonnen wurde – manifestiert sich die Transformation des Antisemitismus, der sich selbst erhält, indem er Israel als Pariastaat des Pariavolkes behandelt. Die singuläre Kennzeichnung von Erzeugnissen, die aus Israel stammen, setzt dabei die Tradition der europäischen Judenpolitik mit den Mitteln des »Verbraucherschutzes« fort, und der Terminus »Siedler« ist dabei nichts als eine Chiffre“¹³.
Wer sich im Übrigen gerne mit israelbezogenem Antisemitismus auseinandersetzen möchte, dem seien als Einstieg die Broschüren „'Kritik oder Antisemitismus' Eine pädagogische Handreichung zum Umgang mit israelbezogenem Antisemitismus"¹⁴ und „‘Man wird ja wohl Israel noch kritisieren dürfen...?!‘ Über legitime Kritik, israelbezogenen Antisemitismus und pädagogische Interventionen“¹⁵ der Amadeu Antonio Stiftung empfohlen¹⁶.
Wer antisemitischen Positionen, wie denen der BDS einen Raum gibt, der macht sich auch verantwortlich für das, was auf dieser Veranstaltung gesagt wird.
Die Veranstaltung im Kulturzentrum PFL
Schlussendlich empfinden wir es als unerträglich, wenn das PFL und die Stadt Oldenburg es zulassen, eine solch geschichtsrevisionistische und antisemitische Veranstaltung in ihren Räumlichkeiten stattfinden zu lassen. In derselben Räumlichkeit, in der am 03.05.2016 der Carl von Ossietzky Preis an Ahmad Mansour vergeben wurde. Mansour – ein junger palästinensisch-israelischer Psychologe, der gegen islamistischen Antisemitismus kämpft – erhielt somit einen Preis, der nach eigenen Angaben an „den Friedensnobelpreisträger [Carl von Ossietzky] erinnern“ möchte und weiter „mutiges, beharrliches und leidenschaftliches Engagement für Frieden, Humanität und Menschenrechte im Geiste des […] ehren“¹⁷ will. Ossietzky wurde wegen seines politischen Engagements vom deutschen Nationalsozialismus verfolgt und ermordet. Die Inhalte der BDS-Bewegung lassen sich hingegen nicht mit den Leitsätzen des Friedens, der Humanität und der Menschenrechte vereinbaren. Es wäre daher im Sinne des Preises angebracht, wenn sich die Mitarbeiter_innen des PFL und der Stadt gegen die Veranstaltung aussprechen würden.
Dieser Brief soll vor allem ein Hinweis dazu sein, auf wen sich eingelassen wird, wenn diese Veranstaltung stattfindet. Zu Recht wird die BDS-Kampagne von vielen Nationen und Einzelstimmen kritisiert¹⁸, nicht zuletzt von Mahmoud Abbas, dem ehemaligen Vorsitzendenden der PLO und Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde¹⁹ .
Mit freundlichen Grüßen
Jan Landherr & Josepha Elisabeth Zastrow
Belege:
¹ Inwiefern der Vortrag in dieser Hinsichtlich problematisch sein wird, wird im Folgenden dargestellt.
² Zum Beispiel schrieb der Sänger Roger Waters – Gründungsmitglied der Band „Pink Floyd“ und BDS-Aktivist – einen warnenden Brief an die Band „Eagles of Death Metal“, in dem er ihnen davon abriet, in Tel Aviv aufzutreten. Als diese Mit „F**k you!“ konterten, antwortete der IS via Video, dass beim nächsten Mal keine Zeit zum Reden sein wird (vgl. http://www.juedische-allgemeine.de/special/2016/boycott-divestment-sanctions
Oder der jüdisch-amerikanische Reggaekünstler Matisyahu, der als Bedingung eines Auftritts auf dem spanischen „Rototom-Sunsplash-Festival“ eine Erklärung darüber unterschreiben sollte, dass er sich für einen Staat der Palästinenser und gegen Israel positioniere. Dabei war er der einzige Künstler, der unterschreiben sollte. Und auch der einzige jüdische Künstler. Er unterschrieb nicht und wurde ausgeladen. (vgl. http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/23135
³ Vgl. http://boycottantisemitismvienna.blogspot.de/p/wofur-steht-bds.html
⁴ Vgl. http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/24892
⁶ Vgl. http://boycottantisemitismvienna.blogspot.de/p/wofur-steht-bds.html
⁷ Vgl. http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/23295
⁸ http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/25130
⁹ Ebd.
¹¹ Dabei wird in manchem Überschwang auch auf gut Glück gelabelt, was israelische Ware sein könnte. Zum Beispiel als selbst ernannte „InspekteurInnen“ am 24.11.2015 durch Geschäfte der Bremer Innenstadt zogen und vermeintliche israelische Waren etikettierten vgl. https://lizaswelt.net/2015/11/30/die-antisemitische-vorhut-der-eu/
¹² Die Dämonisierung, Delegitimierung sowie die Betrachtung Israels unter Doppelstandards (Natan Sharansky) werden in der Antisemitismusforschung als die „3D's des israelbezogenen Antisemitismus“ bezeichnet. Vgl. http://www.hagalil.com/antisemitismus/europa/sharansky.htm
¹³ https://lizaswelt.net/2015/11/24/stigmatisierung-und-boykott/
¹⁴ Zu finden unter: http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/broschuere_antisemitismus.pdf
¹⁵ Zu finden unter: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/aas-israelfeindschaft.pdf
¹⁶ Ebenfalls empfohlen: http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/broschuere_antisemitismus.pdf
¹⁷ http://www.oldenburg.de/microsites/carl-von-ossietzky-preis/zur-geschichte-des-preises.html
¹⁹ http://www.timesofisrael.com/abbas-we-do-not-support-the-boycott-of-israel/