Hören Sie zum Schutz unserer Familien auf die Wissenschaft: kein Präsenzunterricht!

Hören Sie zum Schutz unserer Familien auf die Wissenschaft: kein Präsenzunterricht!

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Bei 500 Unterschriften wird die Petition mit höherer Wahrscheinlichkeit in den Empfehlungen gelistet!
Nabiha Ghanem hat diese Petition an Frau Gebauer, Herr Laschet, Kultusministerkonferenz (Schulministerin, NRW) gestartet.

Sehr geehrte Frau Gebauer
Sehr geehrter Herr Laschet
Sehr geehrte Damen und Herren der Kultusministerkonferenz


Ich schreibe Ihnen diesen offenen Brief als Mutter einer Schülerin der Oberstufe (Q2), die sich gerade auf das Abitur vorbereitet. Die letzten Monate waren für sehr viele Schüler:innen wie meine Tochter sehr hart, die wochenlange Schulschließung im Frühjahr war sehr schwierig und belastend. Kinder und Jugendliche brauchen Sozialkontakte für eine gesunde Entwicklung und sie leben von gutem Unterricht. Allein zu Hause lernen schaffen sehr viele schon aus motivationalen Gründen nicht. Für Schüler:innen aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen gilt dies in besonderem Maße, die mangelnden materiellen und sozialpsychologischen Ressourcen wie schlechter Internetzugang, fehlende Geräte, beengte Wohnverhältnisse ohne Raum zum konzentrierten Lernen und fehlende Unterstützungsmöglichkeiten durch die Eltern kommen hier noch dazu. Die Pandemie lässt die seit vielen Jahren wachsende Bildungsungerechtigkeit deutlich hervortreten. Die Politik hat sie nie konsequent bekämpft, daher sind die Bildungschancen in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten sehr ungleich verteilt!


Ein weiteres Problem der Schulschließungen ist die erhebliche Belastung von Familien mit jüngeren Kindern. Eltern müssen das Homeschooling umsetzen, in den meisten Familien eine nie versiegende Quelle für großen Streit und Frustration! Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist plötzlich drastisch eingeschränkt, darunter leidet die Wirtschaft, und fast immer sind es die Frauen, die dafür einen hohen Preis zahlen.


Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist jetzt wissenschaftlich belegt, was dem gesunden Menschenverstand schon sehr lange klar ist: das Coronavirus macht keinen Bogen um die Schulen und es findet dort sehr gute Bedingungen vor. Das wissen auch die meisten Schüler:innen. Sehr viele von ihnen gehen jeden Tag mit Angst im Bauch in eisig kalte Klassenräume. Der innere Konflikt zwischen ihren Bedürfnissen und der Sorge, ihre Familien anzustecken, ist für junge Menschen belastend. Er wird aber zur ernsten Gefahr für die psychische Gesundheit und den Bildungserfolg, wenn Kinder besonders vulnerable Angehörige haben. Das sind keine seltenen Ausnahmen, sondern häufige Konstellationen, von denen natürlich auch Lehrer:innen betroffen sind! Zahlen dazu sind schwer zu bekommen, aber eine Erhebung der Universität Witten/Herdecke (gefördert durch das Bundesgesundheitsministerium „Die Situation von Kindern und Jugendlichen als pflegende Angehörige“ von 2018) gibt einen fundierten Eindruck der Größenordnung.

Fast 100.000 Kinder allein in Nordrhein-Westfalen übernehmen verantwortlich Pflegeaufgaben für ihre pflegebedürftigen Angehörigen! Diese Kinder wissen, wie sehr ihre Familien durch ihren Schulbesuch gefährdet werden! Dazu kommen noch weit über 200.000 Kinder mit gesundheitlich vorbelasteten Angehörigen. Schon ein kleiner Erstklässler weiß, dass er seine an Multipler Sklerose erkrankte Mutter oder seinen krebskranken Vater anstecken könnte! Ähnlich viele leben wie wir mit den Großeltern zusammen. An unserem Beispiel möchte ich Ihnen verdeutlichen, was das für die ganze Familie bedeutet. Meine Tochter hat ein hohes Risiko, sich in der Schule anzustecken. Jeden Tag sitzt sie mit ca. 60 verschiedenen Personen in wechselnden Zusammensetzungen ohne Abstand in den teilweise engen Klassenräumen. Jede Woche sind es etwa 150 Haushalte, mit denen sie auf engem Raum zusammensitzt. Wegen der Kooperationen handelt es sich faktisch um eine Riesenstufe mit 400 Schüler:innen von 5 verschiedenen Schulen, die einen Kontaktkreis bilden. Sie selbst hat ihre Kurse an 2 Schulen, die Taxifahrten in voll besetzten Wagen lassen sich im Gegensatz zum Schulbus nicht vermeiden. Zu Hause dann läuft sie Gefahr, ihre Brüder (leicht erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf), ihre Eltern (erhöhtes Risiko), ihren Opa (78 Jahre alt, sehr hohes Risiko) und ihre Oma (75, vorerkrankt, höchstes Risiko) anzustecken. Die Wahrscheinlichkeit, dass im Falle einer Infektion mindestens ein Familienmitglied einen schweren Verlauf mit Langzeitschäden oder gar tödlichem Ausgang erleidet, ist also hoch.
An dieser Stelle möchte ich Sie darüber in Kenntnis setzen, dass wir ab dem Tag, an dem meine Tochter wieder in die Schule muss, ohne dass die Empfehlungen des RKIs von Ihnen vollständig umgesetzt wurden, vorsorglich unsere privaten Infektionsschutzmaßnahmen sorgsam dokumentieren werden. Für den Fall, dass aus der Schule eine Coronainfektion eingeschleppt wird, werden wir nachweisen können, dass diese nur aus der Schule stammen kann. Denn im Gegensatz zu den oft kolportierten Geschichten über feiernde Jugendliche, pflegt meine Tochter ihre Kontakte aus Rücksicht auf ihre Großeltern seit dem Herbst ausschließlich online. Ich hoffe inständig, dass es niemals soweit kommt, aber im Fall der Fälle werde ich Strafanzeige wegen Körperverletzung oder – bitte nicht - Totschlag im Amt stellen.
Denn meine Verzweiflung und meine Wut über Ihre Ignoranz, mit der Sie Krankheit und Tod so vieler Menschen in Kauf nehmen ohne dies ehrlich zu sagen, sind wie bei vielen anderen Betroffenen riesengroß. Bis vor einigen Wochen konnten Sie noch den nicht ganz eindeutigen Forschungsstand als Entschuldigung anführen. Das geht jetzt nicht mehr! Jetzt ist offensichtlich und eindeutig klar, dass in den Schulen Infektionen stattfinden. Wissenschaftliche Erkenntnisse und wissenschaftliches Denken nicht zu akzeptieren ist für eine Schulministerin eigentlich ungeheuerlich. Ja, Politik ist keine Wissenschaft, aber Politiker:innen müssen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse einschätzen und abwägen, sie dürfen sie nicht einfach wegwischen. Klar ist, dass die Schulen eine Rolle in der Pandemie spielen, es bleibt nur die Frage, wie groß diese ist. Dabei mehren sich die Hinweise, dass das Infektionsgeschehen bislang unterschätzt wird, und die neue, ansteckendere Variante des Virus verschärft die Lage. Trotz allem habe ich der Presse entnehmen müssen, dass Sie zumindest einen Teil der Schüler:innen und Lehrer:innen wieder in den vollen Präsenzunterricht schicken wollen. Ich verstehe und teile die Gründe für den dringenden Wunsch, Präsenzunterricht in den Schuhen zu erteilen. Aber ich erwarte auch eine ehrliche Abwägung der Gründe, die dagegen sprechen. Konkret erwarte ich die Beantwortung der Frage, wie viele Tote und schwer kranke Menschen sind Bildungsjahre wert? (Bildung kann man übrigens nachholen, Tote aber nicht zum Leben erwecken.) Wie viele durch Trauer, Schuldgefühle, Krankheit und Pflege belastete Kinder und Jugendliche sind mögliche Folgen und Belastungen durch einige Monate reduzierter sozialer Kontakte zur Peergroup von allen wert? Wie viele ausgebrannte Pflegekräfte, die auch Kinder haben, sind Rückschritte bei der Gleichstellung von Frauen wert? Wie viele Tode durch langsames Ersticken sind wie viel weniger aufgedeckte Fälle von häuslicher Gewalt wert?
Bitte beantworten Sie diese Fragen und entscheiden Sie dann im vollen Bewusstsein der Folgen und Ihrer Verantwortung für alle Menschen in unserem Land!


Mit freundlichen Grüßen
Nabiha Ghanem

 

 

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