Corona: Pauschale Bußgeldverhängung gegen Schüler/innen ist rechtswidrig

Corona: Pauschale Bußgeldverhängung gegen Schüler/innen ist rechtswidrig
Warum ist diese Petition wichtig?

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[[Um einem großen Missverständnis vorzubeugen, und/oder für diejenigen, die nicht differenzieren: Es geht dem Petenten nicht um den Diskurs "Maskenpflicht in Coronazeiten - sinnvoll/nicht sinnvoll", und auch nicht um die Infragestellung der verordneten Maskenpflicht an baden-württembergischen Schulen (siehe dort), sondern um den juristischen Umgang mit Schüler/innen ab den fünften Klassen bei Verletzung der verordneten Maskenpflicht. Danke.]]
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Baden-Württemberg: "Bußgeldverhängung" und auch "pauschale Bußgeldverhängung" gegen Schüler/innen aber der 5. Klasse sind rechtswidrig
An den Petitionsausschuss des Bundeslandes Baden-Württemberg
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie die deutschen Medien heute, 05. September 2020 mitteilen, hat die baden-württembergische Landesregierung beschlossen, die Schüler/innen ab den fünften (5.) Klassen pauschal mit Beginn des neuen Schuljahres 2020/21, mit einem Bußgeld aufgrund einer Ordnungswidrigkeit zu belegen, falls sie dort wo vorgeschrieben, keine Corona-Schutzmasken tragen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich meine Petition - Baden-Württemberg: Bußgeldverhängung und auch pauschale Bußgeldverhängung gegen Schüler/innen aber der 5. Klasse sind rechtswidrig - vom 5. September 2020 an den Petitionsausschuss und die Landesregierung Baden-Württemberg. Mein petitierter Antrag lautet, diesen Beschluss ersatzlos zurückzunehmen und stattdessen mehr und bessere präventive und pädagogische und erwachsen-vorbildliche (Aufsichtspflicht der Eltern etc.) Methoden zur Erreichung des Zieles einzusetzen.
Begründung
a) Viele - ja die allermeisten - Kinder und Jugendliche sind bei Erreichen der fünften (5.) Klasse gerade mal zehn oder elf Jahre alt und damit nach der deutschen Gesetzgebung weder strafmündig bzw. noch nicht schuldfähig. Das gilt sowohl aufgrund der Regelungen des Deutschen Strafgesetzbuches (§ 19 StGB) und §§ 1 und 3 Jugendgerichtsgesetz, als auch aufgrund der Regelungen des Deutschen Ordnungswidrigkeitengesetzbuches - § 12 OwiG.
Kinder und Jugendliche haften nur unter bestimmten Voraussetzungen *) für einen Schaden, den sie anderen zufügen: Bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres sind Kinder nicht deliktsfähig, d. h. sie können aufgrund eines Schadens, den sie verursacht haben, nicht in Haftung genommen werden. Ab Vollendung des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sind Kinder/Jugendliche bedingt deliktsfähig. In diesem Alter sind Minderjährige für einen verursachten Schaden (konkret bei Corona: Sie müssen nachweislich eine Mitschüler/in oder Lehrkraft mit Covid-19 infiziert haben) nicht verantwortlich, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht nicht hatten. Ob dies der Fall ist, kann nur unter Bezugnahme auf den konkreten Fall beantwortet werden.
Ein sehr verbreiteter Rechtsirrtum ist die pauschale Behauptung, dass Eltern für ihre Kinder haften. Richtig ist lediglich, dass Eltern für Schäden, die ihre Kinder verursacht haben (siehe bei Corona oben), dann in Haftung genommen werden können, wenn sie ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt haben (§ 832 BGB). Sie müssen also selbst in ihrer Person eine gesetzlich vorgegebene Pflicht schuldhaft verletzt haben. Art und Umfang der Aufsichtspflicht wiederum richten sich ebenso nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Die konkrete Ausgestaltung der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes, sowie danach, was den Eltern in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Es kommt somit darauf an, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um eine Schädigung Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Die Anforderungen an eine Aufsichtspflicht erhöhen sich entsprechend, wenn das Kind bereits in der Vergangenheit auffällig gewesen ist, einen vorsätzlichen Schaden verursacht oder sogar bereits eine Straftat begangen hat. Eltern haben ihre Kinder so zu betreuen, dass andere keinen Schaden nehmen. Dabei muss diese Aufsichtspflicht je nach Alter Eigenart und Charakter des Kindes keine „Rund-um-die-Uhr-Bewachung“ sein. Die Aufsichtspflicht kann auch zeitweise auf Dritte übertragen werden, z. B. vertraglich an einen Kindergarten/Schule. Wenn dabei etwas passiert, wäre die Einrichtung verantwortlich. [Quelle: https://www.anwalt.de/rechtstipps/eltern-haften-fuer-ihre-kinder-oder-doch-nicht_049165.html
b) Bei Jugendlichen ab Vollendung der 14. Lebensjahres greift gilt § 3 Jugendgerichtsgesetz (JGG) wo es heißt. "Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie das Familiengericht." -
Daher ist die pauschale "Verurteilung" für ab Vierzehnjährige juristisch nicht zulässig. Es muss immer individuell entschieden werden, wobei nicht nur die Reife oder Unreife des Jugendlichen, sondern auch sein erzieherisches Umfeld (Elternhaus etc.)mit berücksichtigt werden muss. Was, wenn Eltern Corona-Leugner sind, oder grundsätzlich erzieherisch und Aufsichtspflicht verletzend, versagen?
*) Quelle: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/strafmuendigkeit-42552/wikipedia
Das deutsche Strafgesetzbuch schreibt für die Strafmündigkeit das vollendete 14. Lebensjahr vor (§ 19StGB). Dabei benutzt das Gesetz selbst den Begriff „Strafmündigkeit“ nicht, sondern spricht von Schuldunfähigkeit des Kindes. Das deutsche Ordnungswidrigkeitengesetzbuch legt unabhängig vom Strafgesetzbuch die Grenze für die Vorwerfbarkeit von Ordnungswidrigkeiten ebenfalls beim Lebensalter von 14 Jahren fest.
Personen, die zur Tatzeit jünger als 14 Jahre sind (also „Kinder“ im Sinne des Gesetzes), können somit nicht bestraft werden. Das Familiengericht kann jedoch außerhalb des Strafverfahrens bestimmte Maßnahmen anordnen.
Nach allgemeiner Meinung stellt die Strafunmündigkeit ein Prozesshindernis dar, welches in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen ist.[5] Wird dennoch ein Ermittlungsverfahren gegen ein Kind eingeleitet, so hat die Staatsanwaltschaft es nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen.[5]
Unbeschadet dessen können jedoch zivilrechtliche Ansprüche gegen das Kind und eventuell gegen die Aufsichtspflichtigen (z. B. Haftung für Aufsichtspflichtverletzung) geltend gemacht werden, da dieDeliktsfähigkeit nach anderen Kriterien zu beurteilen ist als die Strafmündigkeit.
Jugendliche (also Personen ab Vollendung des 14. – also mindestens 14 Jahre alt – bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres – also bis zum Alter von 17 Jahren, § 1 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz – JGG) sind gemäß § 3 JGG individuell strafrechtlich verantwortlich, wenn sie zur Zeit der Tat nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug sind, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Mit Respekt und Freundlichkeit,
Stefan Weinert, Ravensburg, 05.09.20
Entscheidungsträger*innen
- Susanne EisenmannKultusministerin Baden-Württemberg
- Ministerpräsdent Winfried Kretschmann
- Ministerin Susanne Eisenmann